Anette Krauß: Zu den Bildern von Florian Pröttel in der Simeonskirche München
(Auszüge aus dem Eröffnungsvortrag am 10. Oktober 2004)

... Seine Bilder entstehen über lange Zeiträume. Das sieht man ihnen an, wenn man sie aus der Nähe betrachtet. ... Ist es für einen Künstler Not-wendig, zu malen, dann liegt ein langer Weg vor ihm, bis er sagen kann: Jetzt ist das Bild fertig. ...

Für Florian Pröttel war es die Josefs-Geschichte, die ihn nicht mehr los ließ. ... Er ist dieser Geschichte begegnet, als sie in sein Leben hineingepasst hat. Und er hat sie nicht nur im Alten Testament gelesen, sondern auch in der Bearbeitung durch Thomas Mann. ... Was entstanden ist, sind keine Illustrationen zur Bibel, sondern persönliche Interpretationen von biblischen Geschichten. Denn Florian Pröttel hat seine eigene Geschichte, seine eigenen Erlebnisse mit hinein gemalt. Er sagt: "Man kann nur ausdrücken, was man selber kennt." ...

Gerade die Bibel birgt ja eine Fülle von Bildern des Leidens und des Hoffens. Dass einer nach menschlichem Ermessen scheitert und dann doch seinen eigenen Weg findet, weil Gott einen Plan mit ihm hat, ist letztlich der Archetyp eines Helden, der in allen Kulturen die Jahrtausende überlebt. Und diese Geschichten werden deshalb wieder und wieder erzählt, weil sie uns Spiegel sind. Auch den am Kreuz hängenden Christus hat Florian Pröttel gezeichnet. Er hat ihn geradezu umrundet, ihn von allen Seiten betrachtet und ihn auf dem Papier festgehalten. ... Und in seinem Leinwand-Bild "Passio" hat er den Schmerz zusammengeballt in einer brennenden Farbwolke, in der der erstarrte Christusleib aufleuchtet. Es gehört Mut dazu, sich diesem inbrünstigen Ausdruck von Schmerz zu stellen. Aber genau diesen Themen geht Religion nicht aus dem Weg, sondern das ist ... das Zentrum religiöser Fragen.

Ein Vorbild, zwischen Kunst und Religion zu vermitteln, ist für Florian Pröttel der deutsche Theologe und Maler Thomas Lehnerer ... . Er schrieb ... : "Ist Religion tatsächlich ... 'umfassende Weltinterpretation' und fühlen wir uns darüber hinaus dieser Interpretation auch existentiell verbunden ... , so ist sie der Fluchtpunkt all unserer Zwecke. In dieser Funktion aber wäre Religion unersetzbar. ... Kunst müsste daher Religion genannt werden, wäre sie in der Lage, unsere letzten Zwecke in sich zu versammeln. ... "

Vereinfacht gesagt: Manchmal gelingt es ... Bildern, die in der Kunst geschaffen werden, allen Sinn des Lebens in sich zu versammeln und offenbar werden zu lassen. Diese Vorstellung ist für einen Künstler ein hohes Ziel - vielleicht eines, das er nie erreicht. Aber es ist sicher besser, ein Ziel zu haben, als nur eine Masche auszuprobieren, einen Effekt zu erhaschen, auf Erfolg aus zu sein.